In der Kritik am Elektroauto gibt es zwei Stoßrichtungen: Die einen wollen den Verbrennungsmotor retten und damit die Ölkonzerne. Die anderen wollen eine neue Mobilität jenseits des Autos. Zu diesen zählt der Politikwissenschaftler und ehemalige deutsche Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf. Winfried Wolf sieht im Elektroauto nur eine neue Variante zur Intensivierung einer individuellen Automobilität, die für das Klima, die Umwelt und die Städte zerstörerisch ist und jährlich weltweit einen Blutzoll von einer Million Straßenverkehrstoten fordert. Die Fortführung der Automobilität lediglich mit neuen Antrieben sei kein Paradigmenwechsel, sondern dient eher als neuer Wachstumsmotor für die Autoindustrie, so Wolf in seinem faktenreichen Buch. Bislang sei es den Autokonzernen und ihrer Lobby noch nach jeder tiefen Branchenkrise gelungen, mit einer inneren Scheinreform zu antworten und damit einen neuen weltweiten Auto-Boom auszulösen. Die neue Zauberformel „Elektromobilität“ wird laut Wolf aus drei Gründen in die nächste Sackgasse führen. Erstens, weil unter den gegebenen Bedingungen ein Elektro-Pkw im Lebenszyklus nur maximal 25 Prozent weniger CO2 emittiert als ein Benzin- oder Diesel-Pkw. Dabei wächst gleichzeitig mit dem Einsatz von Millionen neuer Elektro-Pkw die Zahl der Autos mit herkömmlichen Antrieben pro Jahr um 70 bis 100 Millionen. Die Gesamtsumme der CO2-Belastung steigt damit von Jahr zu Jahr deutlich. Zweitens, weil Elektroautos meist Zweitwägen sind, die zur Intensivierung des städtischen Verkehrs führen und dabei drei bis vier Mal mehr Fläche beanspruchen als der öffentliche Verkehr. Drittens, weil die damit verbundene zusätzliche Menge an Elektrizität die dringend notwendige Verringerung von Kohlestrom verlangsamt und das Hochfahren der Atomstromerzeugung zur Folge haben wird. So verdreifacht China, das stark auf E-Mobilität setzt, aktuell die Zahl der Atomkraftwerke auf 100. "Aus Sicht der Autolobby beabsichtigt und aus Sicht der Umweltfreunde fatal: Mit dem Kult um das Elektroauto wird die Tatsache ausgeblendet, dass es für Mobilität einfache und überzeugende Lösungen gibt", so Wolf. Er plädiert in seinem Buch eindringlich für dezentrale Strukturen, die „Wiederentdeckung der Nähe“, die Entwicklung der „Stadt der kurzen Wege“ und für eine umfassende Förderung des nichtmotorisierten Verkehrs – des Zu-Fuß-Gehens und Radfahrens. Dazu brauche es den Ausbau des öffentlichen Verkehrs mit umfassendem Nulltarif.
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